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Norbert Herlet

1978 – 1998

{Texte zu Bildern}

(Leider eine nicht vollständig überlieferte und letztendlich von Norbert nicht abgeschlossene Arbeit)

Ziemlich blinzelnd blickte er am Abend gen Westen, dort, wo gewöhnlich die Sonne ins Wasser tauchte. Sehr zu seiner Überraschung schob sich – geschickt mit grünenden Sträuchern getarnt – ein Flugzeugträger ins Blickfeld. „Heute fällt der Untergang aus, Mutter!“ sagte er und neigte sich Näherliegendem zu. (1) [….] einen kleinen Drachen konnten wir nach langem Zureden behalten: Er fing uns Fleisch für den Tag, rupfte Unkraut vom Dachboden, düngte den Vorgarten und hielt uns Fliegen vom Leibe; Lilith und Adam, unsere beiden Kinder, ließ er auf sich reiten. (2) Sonjas Fuß war an diesem Morgen besonders reizend gestreift. Im Lichte der silbrigen Morgensonne verwandelte sich ihr rechter Schuh in eine drohende Gebärde, während ihr roter verführerischer Mund zwei Reihen spitzer Zähne zeigte. (3) An diesem Abend bot sich der am See versammelten Gesellschaft ein Schauspiel, wie sie es noch nie gesehen hatte. Alle, ob groß, ob klein, verließen ihre Zelte, denn es ging das Gerücht in der Runde, wer den großen Nachtvogel einmal in seinem Leben gesehen hätte, sein wechselvolles Farbenspiel, dem würde bis an sein Lebensende Glückseligkeit zuteil. So standen denn alle einträchtig beisammen und starrten in den Abendhimmel, in den gerade ein Untier einfiel, das den gesamten Horizont mit seinem massigen, wallenden Leib zudeckte. Seine schwellenden Flanken wechselten dabei ständig ihre Farbe über rot, schmutzigbraun zu violett und nachtschwarzem Gewaber. (4) 

    1. Die Abkehr von Dingen Kap. 24, S. 384

    2. Die Niederkunft des Papstes (WerkII)

    3. Die Änderung der Dinge Kap. 2, S. 78

    4. Die Abkehr von Dingen Kap. 2, S. 19

Und plötzlich war der Spuk vorüber, so schnell, wie er gekommen war, und vor uns tat sich eine Weite auf, deren sanft geschwungene Hügel Ruhe und Zufriedenheit ausstrahlten, und am Horizont sahen wir es endlich: Das Meer.(5)

            5. Die Abkehr von den Dingen Kap. 2, S. 20

An jenem Tag ging ich wieder zu UNSERER Wiese, frohgemut und hoffenden Herzens, SIE, wie damals – aus der Sonne, auf dem Fahrrad, mir entgegenfahrend, kommen zu sehen… lichtumflossen, und wieder – wie damals, klatschte bald der Mohn über uns zusammen. (Move Over Darling!) (6)

Eine dieser meistens unerotisch wirkenden Geishas, genauer: Nur ihr Kopf, ruckte über den Büschen hinweg. Zur Gänze erschien sie an der weiflen Holzbrücke, zögerte nicht lange und betrat die Bohlen, dabei mit ihren Holzlatschen laut klappernde Geräusche verbreitend. In der Mitte hält sie an und blickt sich wie suchend um. Als sie mich sah, beugte sie sich übers Geländer und schwenkte dermaßen mit ihren Armen, dafl sie Perdauz! ins Wasser fiel. Sie trieb wie ein aufgeblasener geblümter Luftballon im Wasser, heftig schreiend, eine Weile dahin. (Hol über, Liebling!) (7)

Wir erreichten den besagten Ort am Nachmittag – es mag gegen vier Uhr gewesen sein – und sofort machten wir uns daran, unsere Pferde zu versorgen, einen Lagerplatz abzustecken, Zelte aufzubauen; und es dauerte nicht lange, da dampfte ein starker Tee, dem einige kräftigere Naturen unter uns weiflen Rum zumischten, in den rot emaillierten Tassen. „So, wie der Wind steht, wird morgen die Sonne wieder scheinen“, meinte Henning, und, während er nachdenklich den Wolkentürmen nachschaute: „Ich wundere mich, wieso wir hier noch keine Piepmätze gesehen haben!“ So verging der Tag mit munterem Geplauder. (8)

Und Henning las eine Stelle aus seinem Roman vor, zwar nicht zur Landschaft um uns passend, aber alle beruhigend, daß es heute auch schlimmer hätte kommen können. (9)

Wir beschlossen, gemeinsam bis an den (südlichen) Rand der Schlucht zu gehen. Als wir gegen sieben Uhr dort ankamen, war es einigen von uns, als ob sie der Gewalttätigkeit in Person ausgeliefert seien, und nur unter unendlichem Grauen wagten sie einen Blick in diese Höllenabgründe, deren unüberschaubare Weite glauben machte, dies sei eigentlich die Welt und alles andere nur ein süßer Traum. (10)

          6. Die Änderung der Dinge Kap. 6, S. 348

          7. Die Abkehr von den Dingen Kap. 3, S. 36

          8. Die Abkehr von den Dingen Kap. 2, S.18

          9. Die Abkehr von den Dingen Kap. 2, S. 19

        10. Die Abkehr von den Dingen Kap. 2, S. 39

An diesem Abend bat er sie, sein Weib bis ans Ende seiner Tage zu sein und ihm zu helfen, sein grofles Werk: „Über Die Ausbreitung Des Zungenkusses In Mittel- Und Osteuropa“ zu vollenden. In dieser anschluchzenden Minute offenbarte sie ihm ihr innerstes Wesen. Da verließ er das Haus. (11) Hatte er bis zu diesem Zeitpunkt noch Hoffnung gehabt, jeden Tag ihr liebreizendes Wesen um sich herum wuseln zu sehen, muflte er sich jetzt eingestehen, dafl diese unbeschwerte Zeit ein für allemal vorbei war. Eine Frage beschäftigte ihn in den nächsten Tagen besonders: Was sollte er mit dem ganzen Wasser machen, das sie ihm hinterlassen hatte? (12)

     

        11. Die Niederkunft des Papstes Kap. 6, S. 55 (W II)

         12. Die Niederkunft des Papstes Kap. 6, S. 81 (W II)

Ich erinnere mich… Es war so gegen sieben Uhr am frühen Morgen, als wir nach tiefem Schlaf aus unseren Schlafsäcken krochen und uns umsahen. – Wir hatten uns in stockfinsterer Nacht einfach irgendwo hingelegt, erschöpft, durchfroren, ohne Feuer, ohne Licht, ohne Wissen um den Ort, wohin es uns verschlagen hatte. – Wie überrascht wir schauten, als wir gewahr wurden, daß wir nur wenige Meter entfernt von einem schützenden Haus den Kampf gegen Finsternis und Kälte aufgegeben hatten, läßt sich denken. Jetzt aber sah alles freundlich und heiter aus, die Vögel sangen in einem nahen Obstgarten und aus der Hütte ertönte fröhliches Kindergeschrei, zwischendurch die kräftige Stimme einer Frau, die zur Eile mahnte. Der Hunger, der uns noch bedrängte, war fast eine Wohltat bei Aussicht auf Kaffee und Brot und freundliche Aufnahme. Wir packten unsere Siebensachen und gingen auf das Haus zu. (13) Ich erinnere mich… Es war so gegen fünf Uhr am Nachmittag, als wir endlich, nach langer Wanderung durch undurchdringliches Gestrüpp, über mit Steinen ¸bersäten Hügeln und durch Schluchten, die normalen Sterblichen unzugänglich erscheinen, als wir endlich deutliche Spuren menschlicher Tätigkeit erblickten. Getreidefelder, gerade abgeerntet, wechselten mit wohlbestellten Obstgärten. Es dauerte jedoch einige Zeit, bis wir bemerkten, was so fremd, um nicht zu sagen unheimlich, an dieser Gegend war. Als wir schliefllich noch ein zweistöckiges Gebäude mit einem Schuppen fanden und beide untersuchten, wußten wir es. Kein lebendes Wesen, Tier noch Mensch, war zu sehen. Und über Allem lastete eine gespenstische Stille. (14) Als wir das tobende Meer hörten, befiel uns schon die düstere Vorahnung, daß wir am Ende unseres Irrweges angelangt waren. Das Meer sehen und eine große innere Leere spüren war EINS. Wir erkannten die Klippen vulkanischen Ursprungs: Hier waren wir vor zwei Jahren aufgebrochen; unaussprechliches Entsetzen packte uns, die wir nun erkannten, daß wir im Kreise (Hier endet das Tagebuch des Anführers (?), welches das einzige Überbleibsel von Armseligen war, das wir fanden.)…..Morgen werden WIR aufbrechen! (15)

Als wir an diesem Platz unsere Champagnerflaschen auspackten, aufbrachen und leertranken auf das Wohl unserer selbst und zur höheren Ehre dieses Landes, wußten wir noch nicht, daß die in den langen Lagerhallen vermuteten Köstlichkeiten eingetrocknet oder verschimmelt waren; doch schon die Tatsache, daß unsere umfangreichen Wunschlisten von NIEMAND in Empfang genommen wurden, daß niemand uns mit freundlichem Lächeln das Gewünschte aushändigte und dann mit einem dem Abhaken vorausgehenden Lecken am Bleistift seine Zustimmung gab, schon die Tatsache, daß niemand da war, der mit uns hätte anstoflen können, beunruhigte uns sehr.

Spätere Ergänzung: Entschlossen und nicht entmutigt gaben wir unseren Pferden zu trinken, ölten ihre Fesseln, sattelten sie, bestiegen sie. Die Staubwolke hinter uns verdeckte die Träume der Vergangenheit. Vor uns die Weite und der Westen. (16)

Sich Blumen ins Zimmer zu holen war in diesen Tagen ein gefährliches Unterfangen. Aus diesem Grunde erfand er die sogenannte SUBJEKTIVE PROJEKTION, die es ihm gestattete, unter der Maske biederster Bürgerlichkeit inmitten blühender Blumen und borstiger Bienen an der VERÄNDERUNG zu arbeiten. (17) Wunderbarerweise erwies sich an diesem strahlenden Sommermittag, daß die Lichter in den Gärten nicht halb so hell waren, wie sie immer vermutet hatte, und desgleichen die Schatten: Wie waren sie durchtränkt von Einzelheiten, d.h. von solchen, die ihr erkennbar waren im Schatten, der durchtränkt von Einzelheiten war, die sie sehen und erkennen konnte, als da waren: Steine, Erde, Blätter, Sträucher, Hecken, Tische, Stühle, Blumenkübel, Podeste und VIELES MEHR, welches, dreht man sich nur gehörig herum, man ebenfalls mit den Augen ergreifen kann. Es war ihr also nicht verborgen geblieben, daß auch die Gärten eine Welt für sich darstellten. Licht und Schatten, Flächen und Details ordneten sich in ihrem Kopfe zu Strukturen, bei welchen sie damals noch nicht entscheiden konnte, ob sie ein Ergebnis außerhalb ihrer selbst waren – ohne ihr Zutun – oder ob sie erst durch das Zusammenwirken von Vorerfahrung und Erinnerung zustande kamen. Sie vermutete, daß viele der Strukturen, die sich ihr an diesem Tage eröffneten, auch schon früher existent waren und nur darauf warteten, sich darzutun. – Als sie versuchte, eine Klärung der diffusen Vorstellungen in Angriff zu nehmen, stellte sie fest, daß die Tür zur Bibliothek geschlossen war. Der Haushüter bedeutete ihr die Unmöglichkeit, sie an die Bücher heranzulassen, im übrigen sei es nicht nötig. (18) 

         13. Die Abkehr von den Dingen Kap. 7, S. 92

         14. Die Abkehr von den Dingen Kap. S. 93

         15. Die Änderung der Dinge Kap. 13 S. 24

         16. Die Änderung der Dinge Kap. 11, S. 375

         17. Die Änderung der Dinge Kap. 9, S. 9

         18. Die Änderung der Dinge Kap. 8, S. 57

 

Nichts in der Welt, so meinte er, konnte ihn jetzt noch aufhalten. Er hatte seinen ganzen Hausrat verkauft. SEIN BESITZ war in den Besitz anderer übergegangen. Selbst seine Kleidung gehörte ihm nicht mehr. Auch auf seine Goldzähne wartete schon jemand. So stellte er sich also zur rechten Zeit, d.h. zur Mittagszeit an besagtem Orte ein, nahm sich einen der herumstehenden Klappstühle und setzte sich vor den kleinen Brunnen, dessen Wasserspeier (ein fetter Fisch aus Sandstein) widerwillig in angemessenen Portionen unaufhörlich Wasser entließ, welches irgendwann in einem kleinen Ablaufrohr verschwand. – So blinzelte er eine Zeit lang den hellen Stein an, besah sich Oleander, Rosen und andere Pflanzen, welche den Brunnen umstanden bzw. umrankten. Er bemerkte die braunen Läden an der Innenseite der Fenster und dachte, daß es in den Zimmern sehr dunkel sein müsse und warum wohl. So saß er denn und beobachtete die Schatten, wie sie sich an der Wand entlangbewegten, beobachtete die Lichter, wie sie sich verlagerten und wunderte sich über die Ordnung und über die Veränderung der Dinge, fragte sich, ob sie als solche bestünden oder sich erst in seinem Kopfe manifestierten. W‰hrenddessen hatte er die Vision, dies alles schon einmal genau so erlebt zu haben; und das leichte Plätschern des Wassers zeigte ihm das VERRINNEN der Zeit an, ebenso wie es die wandernden Schatten und Glanzlichter taten. Sein Körper produzierte in dieser Stille Schweiß, der ihm langsam in die Augen rann und dort brannte, und Mücken stachen, und Bratengeruch aus nahegelegenen Häusern mischte sich mit dem Blütenduft aus seiner Nähe. (19)

                   19. Die Änderung der Dinge Kap. 8. S. 60

Später diesen Abend (later this evening), jedoch noch fünf Uhr am Nachmittag, eine Wolke verdeckte gerade das Zwillingsgestirn, so daß die kleingebirgige Landschaft ohne Doppelschatten diffus vor sich hin wölbte, tat ich jene berühmt gewordene Drehung meines Kopfes nach links und bemerkte zu meinem nicht geringen Erstaunen, daß […]

Später diesen Abend tat ich jene berühmt gewordene Drehung meines Kopfes nach rechts und bemerkte zu meinem gröflten Erstaunen, dafl der Himmel über den Wolken (um die irdische Analogie für unseren Kosmos zu gebrauchen) sichtbar dunkler wurde, genauer: Blauer […] (20)

Non ho ancora mangiato niente. – Prandiamo qualche cosa. – Si mangia press` a poco cosi anche in Germania? – Oh no! – Tutt` altro. La diversita e tanto prande che in italiano mancano quasi tutte le parole per indicare; cibi tedeschi e viceversa. anche quando le parole sembrano corrispondere, le cose sono diversissime. – Ha sete? – Muoio dalla sete. – Vuole bere un bicchiere di vino? – Sopratutto nei cibi c`e una grande differenza tra idue Paesi. Il tedesco non trovera tante cose a cui e abituato, e vice versa. – I viaggiare mi fa male. (21) Buona sera! – Come sta? – Come sta la Sua signora? – Sta bene? – Grazie, sto bene. – Mi rallegro di riveder La. – Dove vuole andare? Posso accompagnar La per un tratto? – Abbiamo la stessa strada. – Va oggi a teatro? – Ha gia i biglietti? – Come sta la tutta la famiglia? – Grazie, sta bene. – E sua mamma? – Mia mamma oggi sta un po`maglio. – E indisposta. – E molto malata. – La sua fine si avvicina. – E moribonda. – Che cos` ha? – Ha un raffredore. – Questo mi dispiace molto. – Qui devo lasciar La! – Arrivederci! (22)

                 20. Die Änderung der Dinge Schlußkapitel S. 731

                 21. Reiseblätter Montalcino Sommer 1982

                 22. Reiseblätter Perugia 1982

So ließ er denn seinen grauen 2CV vor der sonnen¸berfluteten Garage stehen, ging über Gras zum gegenüberliegenden Fahrradgeschäft und kaufte direkt aus dem Fenster auf die Strafle ein himmelblaues Mofa, um fortan mit diesem und seinen vielen Kameras in der Gepäcktasche sich fortzubewegen. (23)

Und so stand er denn dort die ganze blaue Nacht, totensteif, einer Vogelscheuche gleich, die man in die Ecke gestellt und vergessen hatte. – Es ging ihm manch wunderlicher Gedanke durch den Kopf, während die Nacht hereinbrach, ringsum die Lichter angezündet wurden und Musik von der Stadt herüberwehte. Er schauderte, als er gewahr wurde, wie die Kälte der Nacht langsam an seinen Beinen heraufkroch (leise flüsterte sie. „Dein Rückgrat ist auch bald erobert!“), und es legte sich Schleim auf seine Seele. Denn sein Körper war unempfindlich gegen seinen Willen. Als der Morgen graute, krähte kein Hahn nach ihm. Die nahe Kirchenglocke beierte durch Mark und Bein, und so stand er denn dort den ganzen grauen Tag, stocksteif, einer Vogelscheuche gleich, die man in die Ecke gestellt und vergessen hatte. (24)

Als er das Tor überwunden hatte, stand er inmitten einer Oase der Ruhe, über sich den strahlenden Himmel und vor ihm der Pfad zu jener Örtlichkeit, die ihm auch im Winter Geborgenheit und Wärme schenken sollte. Umsäumt von Rosenbüschen und unbekannten Pflanzen bot sich ihm der Vorhof dar, und über den Weg beugte sich wie ein nickender Vogel eine Strelizia. (25)

                 23. Die Änderung der Dinke Kap. 11, S. 77

                 24. Die Abkehr von den Dingen Kap. 10, S. 25

                 25. Die Änderung der Dinge Kap. 8, S. 42

Seinen Turm hatte er verlassen. Schon lange gehorchten ihm die Eidechsen nicht mehr, die sonst seine Nahrung herbeigeschafft hatten. (Spinnen, Insektenlarven und Würmer, besonders fettreiche.) Die alltägliche Einleitung des Tages mit Hilfe der bronzenen Glocke war ihm zuwider geworden, zumal er bemerkt hatte, daß er der Einzige im Umkreis von zwanzig Kilometern war, der sie noch hören konnte. Das lag nicht daran, daß niemand mehr da war, der sie hätte hören können, vielmehr hatte sich offensichtlich im Laufe der Zeit bei den Einwohnern des Ortes eine Anpassung an lebensnotwendigere Geräusche herausgebildet, und das Glockengeläut war so notwendig wie der Neumond. Er legte sich also inmitten der kunstvoll gestutzten Hecken auf den sonnendurchtränkten Boden und wartete darauf, daß auch er lernte, das Gras wachsen zu hören. (26)

Als er sich herumdrehte, den Blick vom Altar zurück richtete, gewahrte er etwas in diesem groflen Raum, das ihm noch nie aufgefallen war, bisher vom eigenen Blick verstellt und von der dunklen Kühle verdeckt: Gitter vor Gräbern alter Leute, und Wächtern gleich zwei Wasserbecken, aus denen zu trinken verboten war, dazu schlanke Säulen, die nicht den Weg zum Altar oder in die Höhe betonten, sondern den Weg nach drauflen markierten. Wenn er es recht bedachte, so führten nun alle Fluchtlinien zu einem zeltartigen Gebilde, in welchem eine Helligkeit und eine Wärme waren, zu deren Erkundung die gesamte architektonische Organisation des Raumes aufforderte. Noch zögerte er, der Verlockung des Unbekannten nachzugeben, denn er hielt sich gerne in diesem ruhigen und kühlen Gewölbe auf, das Zuflucht und Gedankenstrenge sicherte. Als jedoch Rauchschwaden die Luft durchzogen, Zeichen eines Brandes, ging er entschlossen vorwärts. (27)

                 26. Die Abkehr von den Dingen Kap. 15, S. 77

                 27. Die Abkehr von den Dingen Kap. 8, S. 102

Er drehte sich zum Abschied ein zweites Mal um und erschrak zutiefst. Hatte er eben noch die Tonsuren seiner Diener bei ihren pflichtgemäßen, aber auch von Herzen kommenden Verbeugungen wie zwei helle Flecken im düsteren Vorhof gesehen, war da jetzt diese lastende Leere. Die eigenhändig gesetzten Pflanzen schienen – von Schwefel und Gold überhaucht – die kommenden Zeiten überdauern zu wollen. (28)

Place du Moulin de Meuse,“, murmelte mein Begleiter, „was das auch immer Hintersinniges bedeuten soll, w i r  s c h e i n e n  e n d l i c h  a n g e k o m m e n  z u s e i n,  a b e r“ er beendete seinen Satz unvermittelt und stieg vom Pferd. Zunächst inspizierte er das weit geöffnete Tor, eigentlich eine Bahnschranke, und verschwand für einige Zeit im Hausmeisterhäuschen; er schien erleichtert, als er zurück kam und verkündete: „Die Luft ist rein!“ Ich stieg ebenfalls von meinem Gaul und führte es über die grasüber-wachsenen Schienen. (29)

Die zarten Gitter vor ihrem Fenster lieflen ihren weiflen feinen Leib hindurchschimmern; und es freute mich sehr. (30) Wiederum versuchte er an diesem hellen Sommernachmittag zu ergründen, ob die Tag für Tag wiederkehrenden Schatten in seiner Gartenecke Zeichen höherer Wesen waren oder ob in ihnen eine Naturgesetzlichkeit lag, der er vielleicht am Ende sogar seine eigene Existenz verdankte. War es denn nicht so, daß die Anpassung aller Lebewesen an den Wechsel von Tag und Nacht, Hitze und Kälte, Trockenheit und Feuchtigkeit in ihren feinsten Lebensäußerungen zu beobachten war? – So entschied er sich doch noch an diesem Tage: Nicht irgendein Gott, sondern ER selbst gab dem Ganzen einen Sinn. (31) So hatte sie denn schon frühzeitig in ihrem Leben Vorbereitungen getroffen, tausend Kilometer südwärts den verdienten Ruhestand zu genieflen. Ihrer feinen weiflen Haut zum Schutze hatte sie eine gehörige Anzahl von (gräßliches Sonnenlicht fernhaltenden) Tüchern gesammelt, die sie vor die Fenster und Türen zu hängen gedachte. (32)

                28. Die Änderung der Dinge Kap. 11, S. 3

                29. Die Änderung der Dinke Kap. 9, S. 1

                30. Die Änderung der Dinge Schlußkapitel, S. 478

                31. Die Änderung der Dinge Kap. 37, S. 20

                32. Die Änderung der Dinge Schlußkapitel, S. 475

So hatte sie schon frühzeitig in ihrem Leben Vorkehrungen getroffen, tausend Kilometer südwärts den Ruhestand zu genieflen. Zum Schutze ihrer feinen weiflen Haut befand sich schon nach wenigen Jahren in ihrem Besitz eine etliche Anzahl an feinen Tüchern, die sie vor die Fenster und Türen zu hängen gedachte. (33)

              33. Die Änderung der Dinge Schlußkapitel, S. 475 (Var.)

Unzählige Male hatte er diese Situation in vorzeitig unterbrochenen Träumen erlebt, bis zu diesem Punkte der Entscheidung, von dem aus es kein Zurück mehr gibt. – Unzählige Male hatte er diese Situation in längeren Gedankenspielen vorweggenommen. Es schien so einfach:

Die Annäherung; das Hervorzaubern von Erstaunen und Unwillen auf die/den Gesichtszüge/n; das Anheben der Augenbrauen; das Symbol der Gleichgesinntheit schon in der rechten Hand deutlich sichtbar vor sich hertragend; die weltmännische Bewegung aus der rechten Schulter heraus: Sie würde auf ihn zugehen. – Sein Erstaunen über sich selbst und die partielle Nichtplanbarkeit: SIE blieb einfach stehen; ER muflte beide Hände benutzen. In diesem Moment, in der Fremde, wurde ihm klar, daß er nicht alles beim alten belassen wollte. (34) So dachten Sie …. Atemlos hatten sie in der unerträglichen Hitze den inzwischen hundertvierundzwanzigtausendsten Bergrücken erklommen, nur um festzustellen, daß die Weite tatsächlich den auf diversen Landkarten ausgemessenen Entfernungen entsprach. So schauten sie wiederum in ein weites Tal. „Egal, was die Indianer von uns denken, ich taufe dich auf den Namen „Park Avenue“!“, meinte Cooper I, sprach’s und tat die entsprechende Gebärde. „Also, ich gehe nur noch bis zur Nadelspitze, dann kann Nofretete dumm gucken, solange sie will“, murmelte Cooper II. Sogleich begann eine heftige Auseinandersetzung über das eigentliche Ziel des Tages. Die meisten von uns konnten sich nicht mehr erinnern, wieso sie überhaupt vor Tagesanbruch aufgebrochen waren. ‚Schutthaldenbesichtigung‘, ‚größter Steinbruch‘ und ähnliche Worte fielen, bis Cooper III uns alle daran erinnerte, daß wir doch unsere existentiellen Grunderfahrungen mit dieser Exkursion ergänzen wollten; Hitze, Staub, Durst, Weite und 20000 Lux als Stimulantien, um endlich auf uns selbst geworfen zu werden….. und noch anderes Zeugs faselte er; glaubte wohl selber nicht mehr an die Mission, seine Glatze hatte am Ende des Tages die Farbe der Felsen angenommen. Es endete damit, daß unsere Sherpas die Zelte aufschlugen, Kaffee kochten und zwei unterwegs erlegte Karnickel brieten. (35)

             34. Die Änderung der Dinge Schlußkapitel, S. 69

             35. (nicht überliefert)

To be continued